Der insektenfreundliche Garten – mit Kleingartenanlagen gegen den Artenrückgang

Schriftenreihe des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V., Berlin (BDG) Heft 3/2019 – 41. Jahrgang

 

DER INSEKTENFREUNDLICHE GARTEN JÜRGEN GRÄFE (Vorsitzender des Imkervereins Stadtrode)

 Anbetracht der wiederholten Meldungen vom  „Bienensterben“, „Insektensterben“, hohen Zahlen gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Insektenarten liegt es nahe, auf die Gärten, als Oasen in unseren zersiedelten, be- und verbauten und intensiv genutzten Landschaften zu schauen. Unsere Gärten sollten Nahrungs- und Lebensraum für möglichst viele Tierarten bleiben. Einem Trend, Vor- und Kleingärten als „Golfrasen“ oder Kies- und Schotterplätze zu verwandeln müssen wir entgegen wirken. Letzteres mag (jemandem) gefallen, andere legen die Flächen an, um kein „Unkraut“ entfernen zu müssen, in jedem Fall gehen die Flächen als Lebens- und Nahrungsraum unseren Insekten verloren. Im Grunde können ansonsten alle kleinen und großen Gärten die Lebensraumfunktion für viele Pflanzen- und Tierarten erfüllen. Die Beachtung einiger Merkmale der Gartenbewirtschaftung sowie der Bepflanzung können sie aber mehr oder weniger attraktiv für unsere kleinen, fliegenden Gäste machen und uns Gartenbesitzer Ertragsvorteile bescheren. Anhand einiger ausgewählter Beispiele wird das im Beitrag deutlich gemacht. Natürlich nützen insektenfreundliche Maßnahmen allen oder den meisten Nützlingen im Garten. Er kann zahlreichen Pflanzen und Tieren ein Lebensraum sein. Noch besser funktioniert das in mehr oder weniger großen Gartenanlagen, wenn möglichst viele Gartenfreunde einige Grundsätze der Gartengestaltung und Pflege praktizieren. Diese sind:

1.  Vom zeitigen Frühjahr bis in den frühen Herbst hinein sollten Blütenpflanzen den Insekten Pollen und Nektar liefern. Eine geschickte Pflanzenwahl des Kleingartenbesitzers kann dies ermöglichen.

2.  Vor allem Blütenpflanzen mit ungefüllten Blüten sollten bei der Sortenwahl berücksichtigt werden. Gefüllte Blüten liefern den Insekten keines oder nur ein sehr geringes Pollen- und Nektarangebot.

3.  Weder die Neuesten noch die teuersten Sorten sind besonders gute Nahrungspflanzen für unsere Insekten. Beobachten Sie an ihren Gartenpflanzen den Insektenflug. Tauschen Sie bevorzugt beflogene Pflanzen mit Nachbarn und Bekannten.

4.  Orientieren Sie sich bei der Pflanzenwahl besonders an den Standortansprüchen. Dulden Sie Wildpflanzen in ihrem Garten. Sie sind kostengünstig zu beziehen und meist sehr attraktiv, zumindest für die Insekten.

5.  Düngen Sie die Standorte keinesfalls. Entgegen den Ansprüchen von Gemüsepflanzen eignen sich magere und sonnige Standorte besonders für „Insektenpflanzen. Wenn Sie Kohlpflanzen (Brassicaceae) und Möhren sowie Küchenzwiebeln im zweiten Standjahr zur Blüte kommen lassen, können Insekten (auch Wildbienen) an den Blüten „naschen“ und Sie können Saatgut für den eigenen Bedarf ernten.

6.  Auch kleinblütige bis unscheinbare Blütenpflanzen können für Insekten sehr nützlich sein (Gundermann, Vergissmeinnicht)

7.  In Kleingärten („Schrebergärten“) ist es mitunter nicht einfach, die Ansprüche (abgeleitet aus dem Statut) mit den Ansprüchen der Insekten in Einklang zu bringen. Insekten lieben „Unkraut“ sowie offene, trockene und sonnige Bodenstellen.

8.  75 % der Wildbienen nisten im Boden. Manche nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche, andere auch in über 30 cm Tiefe. Ein Umgraben des Bodens sollte zugunsten von flachem grubbern oder sonstiger oberflächiger Lockerung des Bodens an Niststandorten unterbleiben.

9.  25% der Wildbienen nisten in verschiedenen Hohlräumen. Werden in sogenannten Insektenhotels Bohrlöcher angeboten, sollen diese mit glattrandigen Bohrungen angeboten werden. Baumscheiben sind nicht geeignet, zumindest nicht günstig.

10.  Alte, abgestorbene Bäume, alte Zaunpfeiler, Totholz schlechthin kann mit oder ohne Bohrlöcher als geeignetes Nistmaterial für Wildbienen dienen.

11.  Sonnig, warme Trockenmauern (ohne Mörtel) können sehr gute Nistplätze für Wildbienen liefern.

Bei den über 560 Wildbienearten (in Deutschland) gibt es recht unterschiedliche Nist- und Nahrungserfordernisse. Mauerbienen leben häufig in verschiedenen Hohlraumarten. Sandbienen leben nicht nur im Sandboden. Sie leben in verschiedenen Bodenarten. Die meisten Wildbienen leben solitär. Das heißt, sie kommen nur zur Paarung zusammen. Dann gehen sie getrennte Wege. Der Nachwuchs lernt seine Eltern nie kennen. Nur die Hummeln, die nächsten Verwandten der Honigbienen, leben in einem Nest mit einem Volk zusammen. Sie liefern trotzdem keinen Honig, den man ernten könnte. Sie legen nur kleine Honigtöpfchen im Nest an. Der Inhalt soll über kurzzeitig schlechte Zeiten (Kälteeinbrüche) hinweghelfen. Größere Mengen benötigen sie nicht. Sie brauchen ja keinen Wintervorrat. Alle Bienen können stechen. Die Wildbienen tun dies nicht aktiv. Die meisten Arten haben einen zu kleinen oder zu schwachen Stachel, um dem Menschen „gefährlich“ werden zu können. Manche Hummelarten verteidigen aber ihr Nest. Größere Wildbienen müsste man arg bedrängen, etwa quetschen, damit sie sich mit ihrem Stachel wehren. Welche Pflanzen können den Insekten als Nahrung dienen? Es folgt eine sehr gekürzte, unvollständige Aufzählung. Die Anzahl der bisher an den Pflanzen beobachteten Wildbienenarten steht in Klammern. (Quellen: Paul Westrich: Die Wildbienen Deutschlands Ulmer 2018, S368-397, sowie eigene Beobachtungen) Alle Obstgehölze sind nützliche Nektar- und Pollenspender. In den letzten Jahren weisen immer mehr Gärtnereien bzw. Gartencenter Sortimente aus, die als „Insektenpflanzen“ besonders nützlich sein können. Wie oben bereits beschrieben gibt es hübsche „offen“ blühende Sorten von Ziergehölzen und sonstigen Zierpflanzen. Etwa Zieräpfeln, Zierkirschen und -pflaumen, Rosen (besonders Wildrosen), Berberis vulgaris (Berberitze, Winterheide (Erica), Sommerheide (Calluna).

 Frühjahrsblüher/Steingärten:

Adonis vernalis (Frühlings-Adonisröschen) Aubrieta deltoidea (Blaukissen) Krokus (Foto), Märzenbecher, Wildtulpen (Foto), Alyssum montanum (Berg-Steinkraut) und A. saxatile (Felsensteinkraut (Foto) und kriechender Günsel (Foto), (auch im Rasen)

 Sommerblumen (1/2 jährige und Stauden):

Alcea rosae (Stockrose, Foto) Anthirrhinum majus (Garten-Löwenmaul) Dahlien (Foto), Zinnien, Salvia spec. (Salbeiarten), Calamintha nepeta (Katzenminze), Calendula officinalis (Ringelblume) Calluna vulgaris (Heidekraut, Foto) Campanula-Arten (je nach Art von 1 bis 23 s. a.  Wildpflanzen, Foto), Potentilla-Arten (Fingerkraut)

 Küchenkräuter/ Heil- und Gewürzpflanzen:

Allium cepa (Küchenzwiebel), alle sonstigen Allium-Arten

 Gemüse:

Brassica oleracea (Kohl) (im zweiten Standjahr blühend, evtl. Saatgutgewinnung), auch andere Brassica-Arten bieten in der Blüte Insekten Nahrung, Pastinak im zweiten Standjahr

 Wildpflanzen (oft Heil- und Gewürzpflanzen):

Achillea millefolium (Wiesen-Scharfgarbe), Aegopodium podararia (Giersch), Alliaria petiolata (Knoblauchrauke), Anchusa officinalis (Ochsenzunge), Anemone nemorosa (Buschwind-Röschen), Angelica sylvestris (Wald-Engelwurz), Anthemis arvensis (Hundskamille) Matricaria chamomilla L (Echte Kamille) Anthemis tinctoria (Färberkamille), Anthriscus sylvestris (Wiesenkerbel), Bollota nigra (Schwarznessel),  Lamium purpureum (Rote Taubnessel), Barbarea vulgaris (Echtes Barbarakraut), Betonica offi cinalis (Heilziest), Borragio offi cinalis (Borretsch) Bryonica dioica (Zweihäusige Zaunrübe) Campanula rotundifolia (Rundblättrige Glockenblume). Auf mageren Wiesen bildet sie mit Wiesenmargeriten einen herrlichen Blühaspekt. Schnitt: max. 2 x pro Jahr. Auch Centaurea-Arten (Flockenblumen) sind sehr hübsch und wertvoll (bis 32 Arten). Echium vulgare (Gewöhnlicher Natternkopf) sät sich selbst leicht aus, ist leicht kontrollierbar (ausstechen) und ein Insektenmagnet. Viele Pflanzen, die hier nicht weiter aufgeführt werden, weil sie für Kleingärten problematisch sein können (bestimmte Distelarten, Kleearten, Hahnenfuss-Arten, Schlehe, groß wachsende Weidenarten (sehr wertvoll)

 Alle Blütenpfl anzen haben in der Regel nicht nur für mehrere Wildbienenarten sondern auch für andere Insekten als Nahrungspfl anzen erhebliche Bedeutung. Ihre Symbiose ist wichtiges Glied in unseren Ökosystemen. Unsere Gärten können für die Insekten-Oasen in unseren Landschaften sein, besonders, wenn wir auch Wildpfl anzen (etwa Löwenzahn im Rasen, 72 Wildbienenarten und unzählige sonstige Insekten ernähren sich und ihren Nachwuchs von dessen Pollen und Nektar!) zulassen und übertriebenem Ordnungs- bzw. Sauberkeitssinn gar nicht erst zulassen oder überwinden. Schließlich benötigen Insekten zugleich mit dem Nahrungsangebot auch ein „Haus“, indem sie „wohnen“ können.

 Weiterführende Literatur: Paul Westrich: Wildbienen – Die anderen Bienen, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, Philippe Boyer: Vom Leben der Wildbienen, Ulmer Verlag Werner Davi: Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen, pala Verlag Andreas Segerer/Eva Rosenkranz: Das grosse Insektensterben, oekom Verlag

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